Hinterdrund ist ein Austausch zwischen einem Webdesigner, Dustin Curtis, und einem UX-Architekten bei American Airlines. Der Webdesigner beanstandete die Website der Fuggesllschaft und verschaffte sich etwas Luft – zurecht. Er machte sogar einen Vorschlag für ein Re-Design.
Und siehe da, wenig später erhielt er Antwort von AA, genauer vom UX-Architekten des Unternehmens. Dieser bat, was man verstehen kann, um Anonymität. Steckt in seinen erklärenden Worten auch ein gutes Stück Frust. Interessante Hintergünde, muss man sagen. Für den ein oder anderen in ähnlicher Form vielleicht sogar bekannt.
Die Frage, die sich der Webdesigner danach stellte ist, warum viele Websites so deutlich schlechter sind, als die Leute, die sie machen?
But wait. If the UX architect at AA.com is actually pretty good, then why does the site suck so much?
Wo liegt das Problem?
Der UX-Architekt begründet die Zustände mit der Größe der Organisation, den umständlichen Prozessen und dem fehlenden Gehör, dass Experten oft finden. Sie gehen im größeren Grundrauschen oft unter. Er macht es sich damit vielleicht auch etwas zu einfach, aber im Kern steckt viel wahres. Das soll nicht als alles erklärende Ausrede gelten. Aber natürlich wirken sich die vom UX-Architekten geschilderten Umstände, mal mehr mal weniger auf das Ergebnis aus. Wenn auch nicht abzustreiten ist, dass die derzeitige Website deutlich zu weit von gutem Webdesign, geschweige denn einer guten Userexperience entfernt ist.
Zwei Thesen
Design durch Komittees hat seine Nachteile. Die Kunst liegt darin, die bestmögliche Zusammensetzung der Projektgruppen zu finden und Prozesse mit Spielregeln zu etablieren. Das ist zwar nicht ganz einfach, aber man sollte es versuchen. D.h. man braucht v.a. viel Durchhaltevermögen und Nerven. Das geht aber oft allen, an großen Projekten beteiligten Personen so. Uns Webdesignern genau so, wie vielen anderen auch. Jeder muss hier und da zurückstecken und v.a. lernen Kompromisse einzugehen.
Eine weitere These sollte nicht unerwähnt bleiben. Die reine Lehre gibt es nicht! Und je größer die Organisation, desto schwerer ist es (meist), sie in der Praxis zu leben und alles möglichst perfekt zu machen. Man muss Abstriche machen und versuchen gemeinsam zum bestmöglichen Ergebnis zu kommen. Da bleibt auch mal die ein oder andere goldene Regel im Buch stecken. Speziell Unternehmenswebsites müssen es sehr vielen Interessengruppen recht machen. Es gibt hier keine eindeutig definierte Zielgruppe.
Übrigens: Dustin Curtis‘ Blog ist auch sonst sehr ungewöhnlich. Jeder Artikel hat sein eigenes Layout und Design. Ganz im Stil eines Magazins.
Jens Grochtdreis sagt:
Die reine Lehre gibt es sehr wohl. Zumindest in den exakteren Bereichen als der User Experience. Doch sie ist selten in der Realität einer komplexen Webseite anzutreffen.
Es ist wie immer der Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit.
12. Juni 2009 — 23:31
Anne-Kathrin sagt:
Ich würde auch sagen, dass es die reine Lehre gibt, – wie in jeder anderen Wissenschaft auch. Und auch hinter UX und IA steht irgendwo ein wissenschaftlicher Ansatz.
Erinnere ich mich mal so zurück an das, was ich an der Uni gehört hatte und meinen ersten Idealismus, diese Theorie in die Praxis umzusetzen, so herrscht teilweise eine Kluft, wie sie größer nicht sein könnte 😉
Was im Fall der großen Unternehmenswebsite sicherlich das größte Problem ist, wie du schon schreibst: die Zielgruppe. Aber vielleicht könnte genau hier eine teils „stupide“ Umsetzung der „reinen Lehre“ weiterhelfen?
13. Juni 2009 — 8:26
Gerald - hyperkontext sagt:
„begründet die Zustände mit der Größe der Organisation, den umständlichen Prozessen und dem fehlenden Gehör, dass Experten oft finden.“
„Er macht es sich damit vielleicht auch etwas zu einfach“
Nein, Björn! Ich kann das seeehr gut nachvollziehen.
Es ist aber schön, wenn es immer wieder Leute gibt, die diesbezüglich noch frohen Mutes etwas bewirken wollen.
(Das war Sarkasmus! Meine Art von Frustabbau ;))
13. Juni 2009 — 12:03
Markus sagt:
Nun in größeren Unternehmen sieht die Situation leider genau so aus, wie von dem „UX-Architekten“ beschrieben, dazu kommt noch die Tatsache, dass in vielen Fällen Politik innerhalb des Unternehmens eine entscheidendere Rolle spielt, als das Ergebnis. Das ist zwar schwer zu verstehen ist aber so – erlebe ich jeden Tag. Dazu kommen noch gewisse Eigenheiten von entscheidenden Personen, die eine Änderung auch nur durchboxen, um Ihre Macht zu demonstrieren. Alles in Allem ist die Situation dieses „UX-Architekten“ genau so, wie die des Webdesigners mit dem Unterschied, dass der UXler auch noch weiß warum es nicht funktioniert – viel deprimierender…
So viel zu meinen Erfahrungen aus dem Alltag eines internationalen Unternehmens mit über 2.000 Mitarbeitern…
13. Juni 2009 — 21:15
Björn sagt:
Danke Euch für die Kommentare. Habe mir auch gedacht, dass es sich v.a. um die reine Lehre dreht.
@Jens Grochtdreis: Und die Lücke zwischen Ansprcuh und Wirklichkeit weitgehend zu schließen ist die Herausfordrung. Der man sich stellen sollte! Macht in gewisser Weise auch Spaß 😉
@Markus: Auch das kann ich nachvollziehen. Es berichten viele von genau dieser Problematik.
13. Juni 2009 — 22:07
Ben sagt:
Moin, erst heute auf deinen Blog gestossen – schönes Ding 😉
Zur Frage: Reine Lehre hin oder her (irgendjemand hat immer etwas auszusetzen oder zu verbessern), spielt wohl eher das Unternehmen eine Rolle. Nicht unbedingt nur in der Größe, auch in der Beschaffenheit. Ich erlebe es oft auch selber.
Wir coolen Blogger und Freelance-Webdesigner sitzen hier vor unseren PCs und denken: „Einfach mal machen“. Aber das läuft halt oftmals ganz anders. Entscheidungsträger müssen eingebunden werden, Ressourcen (Personell, Finanziell) geschaffen werden, usw.
Ich frage mich eher, ob in diesem Umfeld (wenn es dauerhaft so bleibt und unveränderbar ist) wirklich kreative Köpfe arbeiten wollen oder das nicht nur ein Job fürs Geld und ohne Herz ist…
16. Juni 2009 — 21:20
Björn sagt:
Bin kein cooler Freelancer. Aber mit ganzem Herzen bei der Sache. Eigentlich bin ich auch meistens froh darüber, wenn ich mir so die Arbeitszeiten vieler Freelancer ansehe 😉 Und wenn ich dann noch nicht genug habe, mach ich den ein oder anderen Auftrag nebenher. Eigentlich hab ich ja auch nicht genug 🙂 Sonst würde ich mir nicht auch noch das Bloggen antun 😉
16. Juni 2009 — 21:50