UX & Webdesign

User sind natürlich nicht dumm

User Dog

The user is NOT a lower life form.Ken Becker

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Oft gehört: So einfach und intuitiv bedienbar, wie möglich. Wir tendieren allerdings oft dazu, die Parole etwas zu genau zu nehmen. Gerade im Versuch, Userinterfaces und Interaktionen möglichst einfach zu gestalten, lauert eine große Gefahr.

User werden vielleicht – unterbewusst – für dumm gehalten. Sind sie in der Regel aber nicht. Der dümmste User kann auch nicht der Maßstab sein und Simplicity ist das Gegenteil von einfach.

User sind normale Menschen, die Websites und -anwendungen, aus ganz bestimmten Gründen bzw. Motiven, bedienen möchten oder sollen. Menschen sind außerdem lernfähig und entwickeln sich entlang neuer Nutzungskonzepte weiter.

Man muss nicht jede Interaktion ausführlich erklären oder teils überflüssige Bedienhilfen anbieten. Die Reaktion von Nutzern kann dann sogar negativ ausfallen. „Ich bin doch nicht blöd“, „Ja ich weiß“, „Ich weiß, was ich will“.

Oder wie beim Einkaufen. Kaum ist man im Laden, wird man in Beschlag genommen: „Kann ich ihnen helfen?“. „Wie wär’s damit?“ Das ist gut gemeint, kann aber nerven und verdirbt das Einkaufserlebnis. Überforderung durch zu viele Handlungsoptionen auf einmal.

Besser ist es da, dezent Orientierung anzubieten und bei Bedarf direkt Hilfestellung zu geben . Die Ware mit den wichtigsten Fakten auszeichnen und wenn der Kunde tatsächlich eine Frage hat, für ihn da sein.

Das schwierige dabei. Wann ist der richtige Zeitpunkt da, aktiv Hilfe anzubieten? Welche Kenntnisse und Fertigkeiten darf man voraussetzen? Diese Fragen lassen sich nicht pauschal beantworten. Zielgruppe(n) und Kontext spielen eine zentrale Rolle. Je nach Szenario, kombiniert mit Besonderheiten der Individuen, muss man von anderen Voraussetzungen ausgehen. Eine Baseline finden.

Es gibt Grenzen

Es können auch gewisse Kenntnisse und Fertigkeiten vorausgesetzt werden. Einen Online-Feedreader zu entwickeln, den meine Mutter auf Anhieb – oder jemals – intuitiv und ohne Probleme bedienen kann ist illusorisch. Sie kann ihren PC starten, geht online, ruft ihre Mails ab und recherchiert auf Websites. Sie ist damit noch nicht Internet affin.

Bei Internet affinen Menschen hätte ich es ungleich leichter. Diese Menschen neigen eher dazu, öfters mal was neues auszuprobieren. Das Internet ist fest in ihren Alltag integriert. Hier lauern Unterforderung und Behinderung durch zu viel Hilfestellung.

Man braucht also auch eine Art Education Baseline für das GUI-Design und Interaktionskonzept. Diese liegt oft wohl irgendwo zwischen Mutter und den Internet affinen. Und in diesem Rahmen hat man die Aufgabe, eine gut nutzbare Website oder -anwendung zu konzipieren.

Hierbei bewegt man sich auf einem teils sehr schmalen Grad. Zwischen Einsteigern und Fortgeschrittenen. Die Kunst besteht darin, die Einsteiger nicht zu überfordern und auf der anderen Seite die Fortgeschrittenen nicht zu unterfordern oder zu nerven.

An wem sollte man sich also orientieren?

Der DAU

Eher nein. Mit dem dümmsten anzunehmenden User (DAU) befindet man sich nicht auf der sicheren Seite. Ich könnte es zwar schaffen, ihn zu unterstützen und ihm die Nutzung einer Webanwendung zu ermöglichen. Würde mir in in der Summe aber sehr wahrscheinlich eine ganze Reihe weiterer Usability-Probleme schaffen. Der DAU ist vielfältig und unberechenbar.

Ich habe mit dem Begriff DAU auch so meine Probleme. Zu oft werden Menschen als zu dumm oder beschränkt abgestempelt. Dumm ist absolut der falsche Begriff. Besser passt da wohl unerfahren oder ungeübt – im bestimmten Kontext. Natürlich müssen, je nach Anwendungsfall, gewisse Grundlagen auf Nutzerseite vorliegen. Wer diese nicht erfüllt, ist aber nicht zwangsläufig dumm.

Der WAU

Der wahrscheinlich anzunehmende User (WAU), ist oberflächlich betrachtet die bessere Wahl. Sowohl in der Mitte, als auch etwas links und rechts von ihm, gilt es sich zu orientieren. Der WAU liegt in unserer Komfortzone. Es gibt viele Anhaltspunkte, Studien und eigene Erfahrungen, an denen man sich als Webdesigner orientieren kann. Vorsicht!

Was zunächst einfach erscheint, erweist sich aber mitunter als fehleranfällig. Problem: Hier kommen zunächst mal sehr viele, bzw. die allermeisten, Nutzer in Frage. Diesen Kreis gilt es weiter einzuengen. Man läuft sonst Gefahr, die konkrete Zielgruppe aus den Augen zu verlieren. Im Extremfall zielt man so an der Masse der zukünftigen User vorbei.

Der WAU ist im Prinzip die bessere Wahl, ja. Aber nur dann, wenn man bereit ist, sich die Arbeit zu machen, ihn näher kennen zu lernen. Man kommt nicht umher, zukünftige Nutzer eines Angebots zu befragen und ihre konkreten Anforderungen, Bedürfnisse und Erfahrungen mit in die Arbeit einfließen zu lassen.

User sind definitiv nicht dumm

Deswegen darf man ihnen auch mal etwas mehr zutrauen und vielleicht auch zumuten. Bis zu einem gewissen Grad sind Oberflächen und Bedienkonzepte erlernbar.

Man sollte sich aber angewöhnen, die Nutzer immer wieder zu befragen und offen für Feedback zu sein. Vor, während und nach dem Entwicklungsprozess. Das Nutzerverhalten verändert und passt sich über die Zeit an. Hinweisen auf Nutzungsprobleme sollte man immer nachgehen und diese ggf. durch gezielte Tests weiter hinterfragen. Echte Menschen verstehen.

Man sollte eines definitv nicht tun: Den User vorschnell als einfach zu blöd oder nicht qualifiziert genug anzusehen.

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Foto: Twitter Bird